„Engel der Kulturen“ – Wie Schülern im Religionsunterricht Toleranz nähergebracht wird

Schüler aus 30 verschiedenen Nationen besuchen das Berufsbildungszentrum Preetz. Nicht nur deshalb ist „Toleranz“ dort ein wichtiges Thema. Nun beschäftigten sich die Schüler für eine Ausstellung mit den Weltreligionen – und waren tief beeindruckt. 

In der Weihnachtszeit sind bekanntlich besonders viele Engel unterwegs. Ein ungewöhnlicher Vertreter seiner Art ist ins Preetzer Berufsbildungszentrum (BBZ) eingezogen: Der „Engel der Kulturen“. Seine Botschaften sind Toleranz und gegenseitiges Verständnis. Mit der kreisrunden Stahl-Plastik zeichnet die gleichnamige Stiftung aus Burscheid die Berufsschule als einen Lernort aus, der den Zusammenhalt in der multikulturellen Gesellschaft fördert. 

Religionslehrer Robert Zeidler und Schulleiter Torge Indinger setzen sich sehr für die Toleranz der Schüler ein, die aus über 30 Ländern stammen. „Der Engel der Kulturen ist ein Symbol für das friedliche Zusammenleben unterschiedlicher Kulturen und Konfessionen“, so Schulleiter Torge Indinger (50) bei der Enthüllung des neuen Kunstwerkes im Preetzer BBZ. Die Plastik besteht aus einem Kreis, der die Symbole von Judentum, Christentum und Islam miteinander verbindet und dabei gleichzeitig in der Mitte ein Engel-Symbol erscheinen lässt. Der Dialog zwischen den Konfessionen sei, so Indinger weiter, der Schlüssel für ein friedliches Miteinander. Nur so könnten Vorurteile abgebaut und stattdessen die Gemeinsamkeiten betont werden. „Nächstenliebe, Respekt und Toleranz sind universelle Werte und Leidfäden unseres Handelns“, so der Schulleiter mit Blick auf die Schülerinnen und Schüler aus rund 30 Ländern, die am BBZ gemeinsam lernen. Aufgabe des BBZ sei es, der jungen Generation Bildung zu vermitteln, die eine entscheidende Rolle „beim Abbau von Vorurteilen sowie einem Bewusstsein für unsere Vielfalt“ spiele. 

Sein Dank bei der Eröffnung der begleitenden Ausstellung galt Robert Zeidler (58): Der Religionslehrer, der die verschiedenen Weltreligionen regelmäßig im Unterricht thematisiert, sorgte durch sein Engagement dafür, dass die Stiftung „Engel der Kulturen“ mit diesem Kunstprojekt die Berufsschule zertifizierte. Zeidler verwies in seiner Rede auf die gemeinsame Tradition der drei Weltreligionen: „Abraham ist der Stammesvater aller drei Glaubensrichtungen. Judentum, Christentum und Islam, die sich in der Plastik des Engels der Kulturen widerspiegeln, haben also viel gemeinsam. Das Kunstprojekt setzt so ein Zeichen für Toleranz und Verständigung.“

Vielfalt der Religionen besser nachvollziehbar 

„Für mich lautet die wichtigste Botschaft des Engels der Kulturen Gemeinschaft. Trotz aller unterschiedlicher Kulturen sind wir alle gleich“, sagte Mätje Berwig. Die 16jährige Schülerin stand bei der Ausstellungseröffnung auf der Bühne und zog eine ganz persönliche Bilanz der Erfahrungen, die sie im Religionsunterricht gemacht hat: „Ich fand mein Thema, die fünf wichtigsten Stationen des Islams, wirklich interessant, weil ich mich vorher nicht intensiv damit auseinandergesetzt hatte. Durch die Chance, dieses Referat im Unterricht zu halten, habe ich neues Wissen erlangt, das ich vorher nicht hatte. Im Rahmen dessen haben wir auch den Engel der Kulturen kennengelernt. Dadurch konnten wir die Vielfalt der Religionen besser nachvollziehen und verstehen.“ 

Eine Einschätzung, die auch Julian und Leonard Bach sofort unterschreiben würden. Die 16jährigen Zwillinge hatten sich für ihre Projektarbeit im Rahmen des „Engels der Kulturen“, die Vorstellung des Korans, mächtig ins Zeug gelegt: Um ein Filmprojekt zu erarbeiten, waren sie nach Kiel in die dortige Moschee gefahren und hatten dort unter anderem an einem Gottesdienst teilgenommen sowie mit Gläubigen über den Koran gesprochen. „Gerade diese persönlichen Gespräche und unser Austausch mit den Gläubigen waren viel besser und interessanter als jede Internet-Recherche“, so Julian Bach. So habe er gleichzeitig auch viel Neues erlebt wie beispielsweise die Trennung von Frauen und Männern während des Gebets in der Moschee. Für ihn lautet die zentrale Botschaft des „Engels der Kulturen“, dass „wir in Gemeinschaft leben, ohne Hass und Gewalt gegen andere. Und das nicht nur zu Weihnachten.“ 

Gestaltung der Plastik mit einer guten Botschaft 

Und sein Zwillingsbruder Leonard ergänzt: „In unserem Religionsunterricht lernen Christen, Muslime und Atheisten gemeinsam. Ich fand es vor diesem Hintergrund besonders spannend, über den Tellerrand zu blicken und dabei vor allem auf das Positive zu schauen, was uns eint.“ 

Jan Westphal beeindruckte besonders die Erkenntnis, das Antisemitismus sich bis heute hält. 

Die künstlerische Gestaltung des „Engels der Kulturen“ hat Jan Westphal besonders beeindruckt: „Dieses Zusammenschweißen der drei Weltreligionen durch diesen äußeren Rand der Plastik als Kreis finde ich eine gute Botschaft. Denn das zeigt, dass alle Religionen zusammengehören.“

Der 16-Jährige hatte sich im Rahmen seiner Projektarbeit mit dem Thema Antisemitismus befasst. Ihn hatte dabei besonders die Erkenntnis beeindruckt, „wie lange sich Antisemitismus auch noch lange nach Kriegsende und teilweise bis heute hält.“ 

„Wir sind alle Menschen – wir gehören zusammen“ ist für Justin Zerr (18) die wichtigste Erkenntnis aus dem „Engel der Kulturen“-Projekt. Auch er hatte sich intensiv mit dem Thema Antisemitismus auseinandergesetzt und dabei unter anderem eine Studie unter die Lupe genommen, die an einer Hochschule Studierende nach ihrer Haltung und Einstellung befragt hatte. Besonders beeindruckte ihn dabei die besorgniserregende Tatsache, dass „Social Media einen Spitzenplatz einnimmt, wenn es um antisemitische Äußerungen geht.“ 

Der Einfluss von Social Media beim Thema Antisemitismus besorgt Justin Zerr ziemlich.

Schulleiter Indinger richtete zum Abschluss der Feierstunde einen Wunsch an die Schülerinnen und Schüler: „Lasst uns alle gemeinsam als Engel der Kulturen agieren! Denn jede und jeder kann einen Beitrag leisten – sei es durch die Teilnahme an interkulturellen Projekten oder auch einfach mit einer kleinen netten Geste und Freundlichkeit im Alltag.“

Text und Bilder: SHZ

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